Wer in Aktien, ETFs oder andere Wertpapiere investiert, muss sich früher oder später mit dem Thema Steuern auseinandersetzen. Doch wie funktioniert die Besteuerung bei Online-Brokern genau? Was ist ein Freistellungsauftrag, wie hoch ist die Abgeltungssteuer und wann muss ich eine Steuererklärung abgeben?
In diesem Ratgeber erfährst du alles Wichtige zu Steuern bei Online-Brokern – von der korrekten Nutzung des Freistellungsauftrags über die Verlustverrechnung bis zur Steuererklärung. Besonders für Einsteiger ist das Thema oft verwirrend, aber mit den richtigen Grundlagen kannst du dir viel Geld sparen und steuerliche Fehler vermeiden.
Grundlagen: Was wird bei Online-Brokern versteuert?
In Deutschland unterliegen alle Kapitalerträge der Abgeltungssteuer. Dazu zählen:
- Zinsen aus Tagesgeld, Festgeld oder Anleihen
- Dividenden aus Aktien und Fonds
- Realisierte Kursgewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren (Aktien, ETFs, Fonds, Anleihen)
- Ausschüttungen von Investmentfonds und ETFs
Nicht versteuert werden hingegen unrealisierte Buchgewinne – solange du deine Wertpapiere nicht verkaufst, fallen keine Steuern an. Diese sogenannte Haltefrist ist ein großer Vorteil für langfristige Buy-and-Hold-Strategien.
Der Freistellungsauftrag: So nutzt du den Sparer-Pauschbetrag optimal
Was ist der Freistellungsauftrag?
Der Freistellungsauftrag ist dein wichtigstes Werkzeug, um Steuern auf Kapitalerträge zu vermeiden. Er sorgt dafür, dass dein Broker Kapitalerträge bis zur Höhe des Sparer-Pauschbetrags nicht an das Finanzamt abführt.
Sparer-Pauschbetrag 2025:
- 1.000 Euro pro Person
- 2.000 Euro für Ehepaare (bei gemeinsamer Veranlagung)
Wie erteile ich einen Freistellungsauftrag?
Der Freistellungsauftrag kann bei jedem deutschen Broker bequem online erteilt werden – meist direkt nach der Depoteröffnung oder in den Einstellungen deines Kontos. Bei Neo-Brokern wie Trade Republic oder Scalable Capital dauert das nur wenige Klicks.
Wichtige Regeln:
- Du kannst den Freibetrag auf mehrere Banken und Broker aufteilen
- Die Summe aller Freistellungsaufträge darf 1.000 Euro (Singles) bzw. 2.000 Euro (Paare) nicht überschreiten
- Der Freistellungsauftrag gilt unbefristet, bis du ihn widerrufst oder änderst
- Du solltest den Freistellungsauftrag auf die Institute verteilen, bei denen du die höchsten Kapitalerträge erwartest
Beispiel-Strategie: Freistellungsauftrag optimal verteilen
Angenommen, du hast folgende Konten:
- Tagesgeldkonto: 200 Euro Zinsen pro Jahr
- Trade Republic: 600 Euro Dividenden und Gewinne pro Jahr
- ETF-Depot bei der ING: 400 Euro Ausschüttungen pro Jahr
Optimale Verteilung:
- Tagesgeldkonto: 200 Euro Freistellungsauftrag
- Trade Republic: 600 Euro Freistellungsauftrag
- ING: 200 Euro Freistellungsauftrag
So nutzt du den gesamten Freibetrag von 1.000 Euro und zahlst keine Steuern auf deine Erträge.
Abgeltungssteuer: Was wird abgezogen?
Falls deine Kapitalerträge den Freistellungsauftrag überschreiten, greift die Abgeltungssteuer. Sie wird direkt von deinem Broker einbehalten und an das Finanzamt abgeführt.
Höhe der Abgeltungssteuer 2025
- 25% Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge
- 5,5% Solidaritätszuschlag auf die Steuer (= 1,375% zusätzlich)
- 8-9% Kirchensteuer (optional, je nach Bundesland)
Gesamtbelastung ohne Kirchensteuer: ca. 26,375% Gesamtbelastung mit Kirchensteuer (9%): ca. 27,995%
Beispielrechnung: Abgeltungssteuer bei Aktiengewinn
Du hast 10.000 Euro in eine Aktie investiert und verkaufst sie später für 15.000 Euro. Dein Gewinn beträgt 5.000 Euro.
Fall 1: Mit Freistellungsauftrag (1.000 Euro)
- Gewinn: 5.000 Euro
- Freistellung: 1.000 Euro
- Steuerpflichtiger Gewinn: 4.000 Euro
- Abgeltungssteuer (26,375%): 1.055 Euro
Fall 2: Ohne Freistellungsauftrag
- Gewinn: 5.000 Euro
- Abgeltungssteuer (26,375%): 1.319 Euro
Mit dem Freistellungsauftrag sparst du in diesem Beispiel 264 Euro!
Deutsche vs. ausländische Broker: Steuerliche Unterschiede
Deutsche Broker: Automatische Steuerabführung
Bei deutschen Online-Brokern wie Scalable Capital, ING, Comdirect oder Consorsbank läuft die Steuerabführung vollautomatisch:
- Der Broker berechnet alle steuerpflichtigen Erträge
- Berücksichtigt deinen Freistellungsauftrag
- Führt die Abgeltungssteuer quartalsweise oder bei Verkäufen direkt ab
- Erstellt eine Jahressteuerbescheinigung für deine Unterlagen
Vorteil: Du musst dich um fast nichts kümmern. Nachteil: Die Steuer wird sofort abgeführt, auch wenn du das Geld lieber weiter anlegen würdest (Zinseszinseffekt).
Ausländische Broker: Manuelle Steuererklärung erforderlich
Bei ausländischen Brokern wie Interactive Brokers, DEGIRO oder eToro gibt es keine automatische Abführung der Abgeltungssteuer:
- Du musst alle Kapitalerträge selbst in der Steuererklärung angeben (Anlage KAP)
- Die Steuer wird erst im Folgejahr nach Abgabe der Steuererklärung fällig
- Du musst alle Trades, Dividenden und Währungsgewinne selbst dokumentieren
Vorteil: Steuerstundungseffekt – du kannst das Geld länger investieren. Nachteil: Hoher Aufwand bei der Steuererklärung, besonders bei vielen Trades.
Hinweis zu Trade Republic: Trade Republic hatte lange eine irische Banklizenz und funktionierte steuerlich wie ein ausländischer Broker. Seit 2024 verfügt Trade Republic jedoch über eine deutsche Banklizenz und führt die Abgeltungssteuer automatisch ab – wie klassische deutsche Broker. Wenn du zwischen Brokern wechselst, solltest du diesen Aspekt beachten.
Verlustverrechnung: Wie funktioniert das?
Automatische Verlustverrechnung bei deutschen Brokern
Deutsche Broker verrechnen realisierte Verluste automatisch mit Gewinnen im selben Kalenderjahr. Das nennt man Verlustverrechnung oder Verlust-Topf.
Beispiel:
- Aktie A: +3.000 Euro Gewinn
- Aktie B: -1.500 Euro Verlust
- Steuerpflichtiger Gewinn: 1.500 Euro
Ohne Verlustverrechnung würdest du auf 3.000 Euro Steuern zahlen – obwohl du netto nur 1.500 Euro Gewinn gemacht hast. Die Verlustverrechnung spart dir also Geld.
Wichtige Regel ab 2021: Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen verrechnen
Seit 2021 gilt eine wichtige Einschränkung:
- Aktienverluste können nur mit Aktiengewinnen verrechnet werden
- Sie können nicht mit Zinsen, Dividenden oder Fondsgewinnen verrechnet werden
- ETFs auf Aktienindizes zählen als Aktienfonds, nicht als Aktien
Diese Regelung soll Steuergestaltungen verhindern, kann aber für Anleger mit größeren Aktienverlusten ungünstig sein.
Verluste ins Folgejahr vortragen
Wenn du mehr Verluste als Gewinne in einem Jahr hast, wird der Überschuss in einen Verlusttopf übertragen. Dieser Verlusttopf wird automatisch mit Gewinnen in den Folgejahren verrechnet.
Achtung bei Depotübertrag: Wenn du dein Depot zu einem anderen Broker überträgst, musst du eine Verlustbescheinigung bei deinem alten Broker beantragen (meist bis 15. Dezember des Jahres). Nur so kannst du die Verluste beim neuen Broker oder in der Steuererklärung geltend machen.
Wann muss ich eine Steuererklärung machen?
Bei deutschen Brokern: Meist optional
Wenn dein deutscher Broker die Abgeltungssteuer automatisch abführt, ist eine Steuererklärung nicht zwingend erforderlich. Es gibt jedoch Fälle, in denen sie sinnvoll oder sogar notwendig ist:
Steuererklärung ist sinnvoll, wenn:
- Du ausländische Quellensteuern zurückholen möchtest (z.B. bei US-Aktien)
- Du Verluste aus verschiedenen Depots verrechnen willst
- Du Verluste ins nächste Jahr vortragen möchtest
- Dein persönlicher Steuersatz unter 25% liegt (Günstigerprüfung)
Bei ausländischen Brokern: Immer erforderlich
Wenn du einen ausländischen Broker nutzt, musst du alle Kapitalerträge in der Anlage KAP deiner Steuererklärung angeben. Dazu gehören:
- Alle realisierten Gewinne und Verluste
- Dividenden und Zinsen
- Währungsgewinne (falls du in Fremdwährungen handelst)
Tipp: Viele ausländische Broker bieten mittlerweile Export-Funktionen für steuerrelevante Daten an. Tools wie Portfolio Performance oder spezialisierte Steuer-Software können dir bei der Erstellung der Anlage KAP helfen.
Günstigerprüfung: Wann lohnt sich das?
Die Günstigerprüfung ist besonders interessant für Anleger mit niedrigem Einkommen. Falls dein persönlicher Steuersatz unter 25% liegt, kannst du in der Steuererklärung beantragen, dass deine Kapitalerträge nicht mit der pauschalen Abgeltungssteuer, sondern mit deinem individuellen Steuersatz versteuert werden.
Beispiel:
- Dein zu versteuerndes Einkommen: 20.000 Euro
- Persönlicher Steuersatz: ca. 15%
- Kapitalerträge: 3.000 Euro
Ohne Günstigerprüfung zahlst du 25% Abgeltungssteuer = 750 Euro. Mit Günstigerprüfung zahlst du nur 15% = 450 Euro. Ersparnis: 300 Euro
Das Finanzamt prüft automatisch, ob die Günstigerprüfung für dich vorteilhafter ist – du musst nur einen Haken in der Steuererklärung setzen.
Ausländische Quellensteuer: Doppelbesteuerung vermeiden
Wenn du in ausländische Aktien oder ETFs investierst, wird oft eine Quellensteuer im Heimatland des Unternehmens einbehalten. Beispiel: US-Aktien werden mit 15% Quellensteuer belegt.
Anrechnung von Quellensteuer in Deutschland
Deutschland hat mit vielen Ländern Doppelbesteuerungsabkommen, sodass die ausländische Quellensteuer auf deine deutsche Steuerlast angerechnet wird – aber nur bis zu einer bestimmten Höhe.
Beispiel USA:
- Dividende: 100 Euro
- US-Quellensteuer (15%): -15 Euro
- Netto-Dividende: 85 Euro
- Deutsche Abgeltungssteuer: 25% von 100 Euro = 25 Euro
- Anrechnung der US-Steuer: -15 Euro
- Tatsächlich zu zahlen: 10 Euro
Wichtig: Die Anrechnung erfolgt bei deutschen Brokern meist automatisch. Bei ausländischen Brokern musst du die Quellensteuer in der Anlage KAP angeben.
Steuer-Tipps für Online-Broker-Nutzer
1. Freistellungsauftrag immer nutzen
Auch wenn deine Kapitalerträge aktuell unter 1.000 Euro liegen – erteile trotzdem einen Freistellungsauftrag. So vermeidest du unnötige Steuerabzüge und musst keine Erstattung über die Steuererklärung beantragen.
2. Verlustbescheinigung bei Depotübertrag rechtzeitig anfordern
Wenn du dein Depot wechselst, denk daran, vor dem 15. Dezember eine Verlustbescheinigung beim alten Broker zu beantragen. Sonst gehen dir wertvolle Verlustvorträge verloren.
3. Steuerstundung bei ausländischen Brokern nutzen
Bei ausländischen Brokern zahlst du die Steuer erst im Folgejahr. Diesen Liquiditätsvorteil kannst du nutzen, um das Geld länger zu investieren und vom Zinseszinseffekt zu profitieren.
4. Günstigerprüfung prüfen lassen
Wenn dein Einkommen niedrig ist (z.B. als Student, Auszubildender oder Teilzeit-Arbeitnehmer), lohnt sich die Günstigerprüfung fast immer. Kreuze das entsprechende Feld in deiner Steuererklärung an.
5. Steueroptimierte ETFs bevorzugen
Thesaurierende ETFs sind steuerlich günstiger als ausschüttende ETFs, weil die Besteuerung erst beim Verkauf erfolgt und du vorher vom Zinseszinseffekt profitierst. Mehr dazu findest du in unserem ETF-Sparplan-Vergleich.
6. Dokumentation bei vielen Trades
Wenn du aktiv tradest (besonders bei ausländischen Brokern), nutze Tools wie Portfolio Performance, Parqet oder Wiso Steuer, um deine Transaktionen automatisch zu erfassen und steuerrelevante Berichte zu erstellen.
Besondere Fälle: Kryptowährungen, Optionen und Derivate
Kryptowährungen
Kryptowährungen unterliegen nicht der Abgeltungssteuer, sondern werden als private Veräußerungsgeschäfte besteuert. Gewinne sind steuerfrei, wenn:
- Die Haltedauer mehr als 1 Jahr beträgt, oder
- Der Gewinn unter 600 Euro pro Jahr liegt (Freigrenze, kein Freibetrag!)
Wer Krypto-Trading bei Brokern betreibt, sollte sich intensiv mit den steuerlichen Besonderheiten auseinandersetzen.
Optionen und Derivate
Gewinne aus Optionen, Optionsscheinen, Zertifikaten und CFDs unterliegen der normalen Abgeltungssteuer. Besonderheit: Seit 2021 können Verluste aus Termingeschäften nur bis zu 20.000 Euro pro Jahr mit Gewinnen verrechnet werden.
Fazit: Steuern bei Online-Brokern – gut vorbereitet ist halb gewonnen
Das deutsche Steuersystem für Kapitalerträge mag auf den ersten Blick kompliziert wirken, ist aber mit den richtigen Grundlagen gut zu meistern. Die wichtigsten Punkte:
- Freistellungsauftrag nutzen: 1.000 Euro (Singles) bzw. 2.000 Euro (Paare) steuerfrei kassieren
- Deutsche Broker: Automatische Steuerabführung, wenig Aufwand
- Ausländische Broker: Steuererklärung erforderlich, aber Steuerstundungseffekt
- Verlustverrechnung: Verluste mit Gewinnen verrechnen und Verlustbescheinigung bei Depotübertrag nicht vergessen
- Günstigerprüfung: Lohnt sich bei niedrigem Einkommen
- Dokumentation: Bei vielen Trades auf gute Tools setzen
Wenn du diese Tipps befolgst, kannst du deine Steuerlast legal minimieren und mehr aus deinen Investitionen herausholen. Wer unsicher ist, sollte einen Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein konsultieren – besonders bei komplexen Sachverhalten wie ausländischen Brokern, hohen Verlusten oder Krypto-Trading.
Mehr hilfreiche Ratgeber für Anleger findest du in unserem Broker-Vergleich und unseren Tipps zu Broker-Gebühren.


